Regional verwurzelt – Vom Heimatstil zur modernen Hüttenkultur.
Der Heimatstil ist ein Architektur- und Gestaltungsstil des Historismus, der sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als Teil der Heimatschutzbewegung entwickelte. Diese Bewegung entstand als Reaktion auf die Industrialisierung und den drohenden Verlust regionaler Kulturtraditionen. Architekten griffen dabei auf traditionelle Bauformen zurück und verbanden diese mit zeitgenössischen technischen Neuerungen. Formvorlagen waren regionale Bauern- und Bürgerhäuser des 18. und 19. Jahrhunderts – mit ihren Erkern, geschnitzten Holzverzierungen, flachen Satteldächern und schmuckvollen Fassaden mit Details wie Fensterläden und traditioneller Malerei. Der Heimatstil ist ein traditionsgebundener, eher konservativer Architekturstil, der in München nach 1900 hoch im Kurs stand.
Zu den wichtigsten Vertretern des Heimatstils zählen Gabriel von Seidl, Emanuel von Seidl und Franz Zell (1866–1961). Zell gilt als Leitfigur des Heimatstils. Seine zahlreichen Bauten finden sich in Schwaben, Bayern, Österreich und Ungarn. Er war nicht nur Architekt, sondern auch Sammler, Volkskundler, Museumsgestalter, Autor und Herausgeber zahlreicher Publikationen. Seine Schriften, darunter „Bauern-Häuser und volksthümliche Hausmalerei im Bayerischen Hochland“, beeinflussten Architektur und Volkskundebewegung seiner Zeit.
Für Theodor von Cramer-Klett junior (1874–1938) war Zell der Architekt für verschiedene Nutzbauten in Aschau. Dort realisierte er im Heimatstil: den Umbau des Burghotels inklusive der Gaststuben, das Forsthaus mit Forstverwaltung in Grattenbach sowie das Schulhaus im Ortsteil Stein. Diese Bauten spiegeln Zells Fähigkeit wider, regionale Traditionen mit funktionalen Anforderungen zu verbinden.
Bauherren in Aschau und im Priental waren durchgehend die Cramer-Kletts. Unter Theodor von Cramer-Klett senior (1817–1884) wurden im Zuge der Neuordnung des Besitzes unter anderem Renteigebäude, Forstverwalterhaus, Hofalm, Ökonomiegebäude und die Villa Elisabeth umgebaut. Auch unter Theodor junior (1874–1938) gab es rege Bautätigkeit. Neben den Zell-Bauten holte er für Repräsentationsbauten wie das Schloss Hohenaschau und den Festhallen-Komplex den bekannten Historismus-Architekten Max Ostenrieder nach Aschau.
Die nachfolgenden Generationen verfügten – durch Krisen und zwei Weltkriege – über ein deutlich geschmälertes Vermögen. Sie mussten verwalten und erhalten. Es kam zu Verkäufen, aber auch zu Sanierungen der teils denkmalgeschützten Immobilien, zu Projektplanungen sowie zu Um- und Neubauten. 2021/22 ließ Ludwig von Cramer-Klett die Frasdorfer Hütte in den Chiemgauer Bergen vollständig renovieren. Ziel war der Einsatz ressourcenschonender Materialien und eine zeitgemäße Neuinterpretation des Hüttencharakters. Für Gestaltung und Ausstattung holte er die renommierte Designerin Nora Witzigmann ins Boot – bekannt für ihre Arbeiten in Gastronomie und Hotellerie.